1158 Worte via Barbara
Change Management
Transformation
Veröffentlicht 130.82.69.204
Aktualisiert 130.82.69.204

The Honeymoon is over! Arbeitswelten 4.0 auf dem Prüfstand

Erschienen im HR Today Blog im April 2018

The Honeymoon is over! Arbeitwelten 4.0 auf dem Prüfstand

Vor zwei Wochen war ich mit einer von Gruppe von Bildungsexperten aus dem Kanton Bern bei Microsoft Schweiz zu Gast für einen eintägigen Workshop. Menschen aus dem Bildungsbereich die neuen Arbeitswelten «zu verkaufen» ist so eine Art Königsdisziplin – denn sie schauen genau hin und lassen sich nicht von hippen Designs blenden. Berner sowieso nicht – nicht, weil sie besonders veränderungsresistent sind, sondern weil sie «Bewahrer» sind. Und das ist absolut anerkennend gemeint. Man kann nur etwas bewahren, was man zuvor aufgebaut und liebevoll gepflegt hat.

Nach dem Rundgang meinte eine Teilnehmerin: «Mich beeindruckt das Menschenbild, das hier zum Ausdruck kommt. Man spürt das gegenseitige Vertrauen.» Diese Schilderung hat mich sehr gerührt. Sie zeugt von einer unvoreingenommen, offenen und echten Auseinandersetzung mit dem Thema, die weit über die rationale Wahrnehmung und die isolierte Betrachtung eines Raumkonzepts hinausgeht.

Auf Euphorie folgt Ernüchterung

In der gleichen Woche bin ich von vier Personen aus unterschiedlichen Firmen auf aktuelle, sehr kritische Studien zu neuen Raumkonzepten angesprochen worden. Wurden in der Anfangsphase die Bürokonzepte der Pioniere einfach kopiert, liegen mittlerweile zahlreiche Studien vor, die sich sehr kritisch mit der Akzeptanz der neuen Räume, aber auch den Auswirkungen auf die Produktivität auseinander setzten. Die Goldgräberstimmung ist mittlerweile definitiv vorbei.

Und dennoch werden bei Neu- und Umbauprojekten fast nur noch Open-Space-Konzepte, meist in Kombination mit Desk Sharing, umgesetzt. Die Motive für diesen Gesinnungswandel sind vielfältig und schliessen sich gegenseitig nicht aus:

Lernen von Pionieren und kritischen Stimmen

Wer erst jetzt aufbricht Richtung neue Arbeitswelten hat den Vorteil, dass er Anfängerfehler gezielt vermeiden kann – nicht nur, was das Flächenkonzept betrifft, sondern auch betreffend Vorgehensweise. Es macht deshalb Sinn, sich trotz aller Begeisterung für das Neue mit den sehr kritischen Studien auseinanderzusetzen, die momentan wie Pilze aus dem Boden schiessen.

Auch wenn man dort von heimatlosen, entwurzelten Mitarbeitern, unpersönlicher, steriler Atmosphäre, mangelnden Rückzugsmöglichkeiten, ungewollter Hyper-Vernetzung, mangelnder Privatsphäre, Anonymität, Dematerialisierung, Austauschbarkeit, mangelndem Fit zur Kultur, Zynismus, Sparen auf dem Buckel der Mitarbeiter sowie reduzierter Identifikation und Loyalität lesen kann, sollte man sich von diesen Schwarzmalereien nicht voreilig abschrecken lassen.

Ähnlich, wie die Scheidungsrate nur bedingt mit der Schlafzimmerausstattung korreliert, wäre es naiv zu glauben, dass das Flächenkonzept im Büro entscheidet, wie erfolgreich und leidenschaftlich Menschen zusammenarbeiten.

Der Umgang mit den vernichtenden Abrechnungen mit der Arbeitswelt 4.0, die gerade sehr «en vogue» sind, ist simpel – man muss sie genau so kritisch hinterfragen:

Auch wenn man heute eigentlich Technologie-Mogule zitieren sollte und nicht die Helden der Musenalp-Express-Zeiten, so glaube ich, dass man manchmal tatsächlich mit dem Herzen besser sieht als mit den Augen (oder im Falle der Studien: mit den Augen anderer). Beim eingangs geschilderten Beispiel ging es um Vertrauen – ein Thema, das schwer messbar und steuerbar ist und dennoch gerade im VUCA-Zeitalter eine noch bedeutsamere Rolle spielen wird als bisher.

Ein anderes matchentscheidendes Thema für erfolgreiche Team-Leistungen ist «Hilfsbereitschaft» – was man spätestens nach dem legendären TED-Talk von Margaret Heffernan auch in Business-Kreisen debattieren darf. Wer sich mit dem Thema Arbeitswelten 4.0 ernsthaft auseinandersetzen möchte, darf ruhig jeweils an passender Stelle euphorische oder vernichtende Studien zitieren. Aber daran, sich mit den übergeordneten Zielsetzungen, Hoffnungen, Ängsten und dem eigenen Beitrag zum Gelingen dieser Transformation auseinander zu setzen, führt kein Weg vorbei.