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Autonomie
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Führung
Motivation
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Motivation 4.0 – vom Stelleninhaber zum Job Crafter!

Erschienen im HR Today Blog am 9. September 2016

Ich habe öfters das Vergnügen, der Entwicklung von Home Office Reglementen und Leitplanken für flexibles Arbeiten beizuwohnen. Bei diesen Gesprächen findet immer wieder eine Art Zaubertrick statt.

Das Projektteam «neue Arbeitswelten» präsentiert eine Seite durchaus guter Vorschläge, involviert dann der Reihe nach das Personalmanagement, das mittlere Kader, die Agilitäts-Botschafter (die das alle nicht freiwillig machen, aber so tun müssen als ob), die Personalkommission, den Rechtsdienst und zu guter Letzt die Geschäftsleitung. Das Dokument wächst im Verlauf dieser Diskussion auf gut 20 Seiten an, worauf das Projektteam gebeten wird, es für die nächste Mitarbeiterorientierung auf eine «Folie» runterzukürzen. Und genau hier geschieht die Magie: die Zusammenfassung der neuen Regelung beschreibt nach 10 Iterationsrunden wieder den alten Zustand. Das Einzige, was sich in der Zwischenzeit verändert hat, sind die Erwartungen der Mitarbeiter*. Und mit denen verhält es sich ähnlich wie mit Zahnpasta: Es ist schwierig, sie nach Austritt wieder zurück in die Tube zu drücken.

Wenn Sie jetzt denken, dass diese Diskussionen mich langweilen, so liegen Sie komplett falsch. Im Gegenteil – es gibt kaum eine Situation, in welcher man ein besseres Verständnis für die Arbeitskultur und vor allem das Menschenbild, das in einer Organisation vorherrscht, bekommen kann. Gäbe es «Wetten dass..?» noch, würde ich mich glatt mit der Idee anmelden, dass ich basierend auf 3 Minuten Gespräch zum Home Office Reglement den Digitalisierungsgrad, das Durchschnittsalter der Geschäftsleitung, die Mitarbeiter-Fluktuationsrate sowie die Branchenzugehörigkeit einwandfrei identifizieren kann.

Als wir bei Microsoft jeweils Besucher durch unsere neuen Arbeitswelten geführt haben, wurden uns immer wieder die gleichen Fragen gestellt:

Wie stellt man sicher, dass die Mitarbeiter* nicht zu wenig arbeiten?
Wie stellt man sicher, dass die Mitarbeiter* nicht zu viel arbeiten?

Die Vorstellung, dass Menschen Freude an ihrem Job haben und in der Lage sind, sich selbst zu führen, ist für die sogenannten Sichtführer (das ist kein Schreibfehler, es geht um «Führen auf Sicht», wie mir mal ein Bank-Manager seinen Führungsstil erklärt hat) undenkbar. Im Laufe der Zeit habe ich angefangen, aus der Frage Rückschlüsse auf die Organisation zu ziehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass Unternehmen, die noch in einer starken Präsenzkultur (Phase 1 und 2 des FlexWork Phasenmodell, das wir damals im Rahmen des Home Office Days 2014 gemeinsam mit der FHNW entwickelt hatten) verhaftet sind, die erste Frage stellen, während Unternehmen, die schon flexibler unterwegs sind (Phase 3 und 4; Phase 5 hat uns weder besucht noch gefragt), vor allem Angst davor haben, dass die Mitarbeiter sich nicht mehr abgrenzen können. Diese beiden völlig gegenteiligen Ängste zu ein- und demselben Thema zeigen nicht nur auf, dass die Führung in der neuen Arbeitswelt stärker gefordert ist – Stichwort: Führen über Zielvereinbarungen und Fürsorgepflicht – sondern auch, dass unsere Motivationsmodelle ein Update brauchen.

Der Mensch ist faul und Arbeit grundsätzlich schlecht – dieses Verständnis ist ein Relikt aus der postindustriellen Ära und ist wenig zielführend, wenn es darum geht, Wissensarbeiter zu führen, die stark intrinsisch motiviert sind. Richard M. Ryan and Edward L. Deci (Contemporary Educational Psychology 25, 54–67, 2000) haben mit ihrer Selbstbestimmungstheorie ein moderneres Bild der menschlichen Antriebskräfte gezeichnet und die drei wesentlichsten Einflussfaktoren auf unsere Motivation identifiziert: Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit, wobei Autonomie einer der stärksten Treiber ist. Wie hängt diese Erkenntnis nun mit neuen Arbeitsmodellen wie flexiblen Arbeitsformen zusammen?

Autonomie

Alleine schon mit dem Ermöglichen von zeitlicher und örtlicher Flexibilität senden wir sehr motivierende Signale aus. Dabei geht es natürlich auch, aber nicht nur um Vertrauen (oder genauer um einen Vertrauensvorschuss, der sich meist mehrfach auszahlt), sondern um das erwähnte Autonomiebedürfnis. Genau hier scheitern viele Firmen. Die Einführung von flexiblen Arbeitsformen und neuen Räumen alleine reicht nicht – es geht in um ein neues Verständnis von Führung. Wenn der Chef seinen Kontrollzwang in die virtuelle Welt verlegt und führt wie am ersten Kindergartentag, so resultieren die neuen 37 Zonen im Büro halt trotzdem nicht in einer besseren Arbeitsleistung, sondern bloss in einer allmorgendlichen «Reise nach Jerusalem».

Kompetenz

Beim Bedürfnis, spezifische Kompetenz aufzubauen und einen Beitrag als Experte innerhalb oder gar ausserhalb der Organisation zu leisten, verschenken viele Unternehmen grosse Chancen. Hier kommt Job Crafting ins Spiel – damit ist gemeint, dass man es den Mitarbeitern ermöglicht, ihre Rolle den persönlichen Stärken und Interessen anzupassen. Bevor ich den Begriff überhaupt kannte, habe ich das Phänomen bei Microsoft selber erlebt. Obwohl ich für die Kommunikation verantwortlich war, konnte ich darüber hinaus meiner persönlichen Leidenschaft für das Thema neue Arbeitswelten nachgehen und so meine Rolle aktiv mitgestalten. Für mich war dies ungeheuer motivierend! Auch die Organisation profitiert davon, weil Begeisterung der beste Verkäufer ist – intern und extern.

Zugehörigkeit

Der dritte Punkt der Selbstbestimmungstheorie – Zugehörigkeit oder Sinnhaftigkeit – ist im Hinblick auf neue Arbeitswelten auf den ersten Blick ein Widerspruch. Nimmt man den Mitarbeitern den persönlichen Arbeitsplatz weg und wird ein Teil der physischen Begegnungen durch virtuelle ersetzt, rüttelt man immer auch am Fundament der Identifikation mit einer Organisation. Unlängst wurde in einem Vortrag gesagt, dass der Mensch in der neuen, zunehmend virtuellen Arbeitswelt massiv an Visibilität verliert. Das sehe ich fundamental anders. Wenn wir unter Visibilität nur das persönliche Schulterklopfen verstehen, mag das stimmen. Wenn wir aber neue Technologie-Plattformen wie Enterprise Social Netzwerke (quasi Facebook für Firmen wie Yammer, Slack, Jive etc.) miteinbeziehen, so kann der CEO plötzlich persönlich und direkt auf den brillanten Vorschlag der Kundendienst-Mitarbeiterin eingehen – und was noch viel toller ist: seine Kudos werden nicht nur von der Ideenlieferantin gesehen, sondern auch vom Rest der Belegschaft. Wenn diese Mitarbeiterin dann Ende Jahr auf der Bühne noch eine Auszeichnung für die umgesetzte Idee erhält, wurde mit dem Thema hybride Mitarbeitererlebnisse mustergültig umgegangen. Wir müssen damit aufhören, Technologien bloss als den natürlichen Feind von persönlichen Begegnungen zu sehen – sie sind komplementäre Instrumente, die uns ganz neue Erlebnisse ermöglichen.

Spielen Sie eigentlich schon Pokémon GO? Ich wurde unlängst an einem Anlass von einem KMU Patron gefragt, ob man denn nun als Chef plötzlich jeden Mist mitmachen müsse, um im digitalen Zeitalter mitzuhalten zu können. Nein, müssen wir nicht, wenn wir nach einem neuen Menschenbild führen. Mein Lieblingsbeispiel ist das einer deutschen Ausflugsbahn, die starke Auslastungsprobleme hatte, da sie nur für Rentnerausflüge genutzt wurde. Dies änderte schlagartig, als die Praktikantin merkte, dass entlang der Strecke nicht nur sehr viele Pokestops waren, sondern auch ganz spezielle Monster hausten. Sie erstellte kurzerhand eine neue Bahnkarte und stellte diese ins Netz. Seit diesem Moment vergnügen sich auf der ehemals serbelnden Bahn Senioren mit Thermoskanne und Teenies mit Smartphone gleichermassen und die Bahn erlebt eine neue Blütezeit. Und die Erkenntnis für die Führung?

Wir müssen nicht alles selber wissen und können, aber wenn jemand eine brillante Idee hat und Eigeninitiative zeigt, sollten wir diese nicht bremsen, sondern dem Mitarbeiter eine Startrampe dafür bauen.

*Der wichtigste Grund, dass ich selbständig bin, ist, dass ich «Mitarbeiter» schreiben darf, ohne dass mir irgendein erbsenzählender Funktionär nachher «Mitarbeitende» daraus macht. Noch lieber wäre mir übrigens «Mitunternehmer» (gibt es eigentlich «Mitunternehmende»?).